Storytelling – Geschichtsschreibung auf Irisch

Was macht eine gute Geschichte aus?

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Geschichten schreiben und erzählen ist ein Handwerk. Man kann es lernen und mit fleißigem Üben verbessern. Hier einige Tipps dazu, was eine gute Geschichte ausmacht.

Dramaturgischer Aufbau — Führen Sie emotional in Ihre Geschichte ein und stellen Sie die Hauptfigur lebendig vor. Ein gut konstruierter Spannungsbogen besteht aus einer Exposition, einem erregenden Moment (der Hinführung an einen Konflikt), dem Höhepunkt, einem fallenden Handlungsteil und schließlich einer Lösung, Pointe oder auch einer ­Katastrophe.

Wirkungsvolle Erzählweise — Wer Gestik und Mimik richtig einsetzt, untermalt und verstärkt die Erzählung. Ein guter Rhetoriker spricht deutlich, setzt clevere Pausen und schafft beim Erzählen Bilder in den Köpfen der Zuhörer.

Glaubwürdigkeit — Erzählen Sie au­thentisch und formulieren Sie mit Ihren eigenen Worten.

artikelBild_storytelling_onceUponWenn wir Werber unsere Botschaften der besseren Einprägsamkeit wegen in einer Geschichte verpacken, nennen wir das im neudeutschen Marketing-Sprech »Storytelling«. — Doch so neu ist das Konzept nicht, wichtige Informationen durch die Einbindung in unterhaltsame Schilderungen in Verbindung mit regelmäßiger Wiederholung im Gedächtnis der Zuhörer zu verankern. In Irland etwa ist das »Storytelling« bis heute Bestandteil der Alltagskultur und der Hauptgrund, dass Legenden, Märchen und geschichtliche Ereignisse bis in die Jetztzeit überliefert wurden.
Das keltische Irland kannte keine schriftliche Überlieferung in unserem Sinne, Schrift gab es nur in Form einer runenähnlichen Keilschrift. Statt Geschichtsbüchern verfügten im keltischen Irland alle Clans über einen »Seanchaí« – übersetzt in etwa »Bewahrer alten Wissens«. Der Seanchaí war unmittelbar dem Chieftain unterstellt und verarbeitete die Erlebnisse des Clans in Gedichten und Liedern, die beispielsweise abends am Feuer erzählt wurden und sich so auch dem Volk einprägten – gewissermaßen die Urform der Datenkopie. Ein Anwärter für den Beruf des Seanchaí lernte von klein auf die Geschichten und Gedichte, um nach dem Tod des Lehrers dessen ­Position einzunehmen.
Nach der britischen Invasion im 11. Jahrhundert versuchten die neuen Herren der Insel, die keltische Kultur zugunsten ihrer eigenen zu unterdrücken, so dass trotz des allmählichen Verschwindens des keltischen Clansystems die Shanachies, wie sie angliziert bezeichnet wurden, weiterexistierten und die alten Mythen und Legenden der keltischen Vorväter lebendig erhielten. Mit ein Grund, weshalb auch nach 800 Jahren Fremdherrschaft sich ein an keltischen Traditionen orientierter, irischer Nationalismus entwickeln konnte, der schließlich in einen blutigen Freiheitskampf und schließlich in den 1920er Jahren in die Unabhängigkeit mündete.
Auch heute hat das »Storytelling« einen hohen Stellenwert in der irischen Kultur. Musiker wie Chris de Burgh, Christy Moore oder Sean Keane folgen der Tradition der Geschichtenerzähler und auch im privaten Kreis sind Menschen, die erzählen können, gern gesehen. Dass dabei auch Ausschmückungen der Kerngeschichte durchaus akzeptiert sind, zeigt die Redewendung »Wenn es schon nicht wahr ist, dann ist es doch gut erfunden!« ¶