Meisterhaft gebunden

Eine große Pappschere ist das wichtigste Werkzeug von Roswitha Hilpert. Die 36-jährige Allgäuerin ist Buchbindermeisterin und seit vier Jahren Inhaberin der Augsburger AltstadtBuchbinderei. Die 70-Quadratmeter-Werkstatt ist in der Schmiedgasse, direkt gegenüber dem Brechthaus, zu finden.

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Handwerk 2005: In der Ecke stehen große Bögen grauer Buchbinderpappe. Im Regal nebenan liegt der Papiermusterfächer in seiner ganzen Farbigkeit von zartem Hellgelb über kräftiges Türkis bis hin zu dezenten Braun- und Grautönen. Gewebestoffe verschiedenster Beschaffenheit warten im Regallager auf ihren Einsatz. Aus diesen »Rohstoffen« fertigt Roswitha Hilpert Bucheinbände und gibt damit den Buchblöcken ein ihnen eigenes, individuelles Gewand. Dabei legt Roswitha Hilpert Wert auf Vielfalt, sie will zeigen, dass traditionelles Handwerk wie die Buchbinderei mit modernen Einflüssen perfekt harmoniert. »Es muss nicht immer der braune Ledereinband oder ein dreiseitiger Goldschnitt sein.« Vielmehr liebt es die Augsburger Buchbinderin, mit Metall und farbigem Leder zu arbeiten. Oder sie stellt mit wasserlöslichen Farben außergewöhnliche Marmorpapiere her und entwickelt mittels einer speziellen Spachteltechnik phantasievolle Papierunikate. Und mit Autolack kreiert die Handwerkerin auch einmal einen gesprühten Farbschnitt.

Handwerk und Kunst: Die Liebe zu Büchern und zum Lesen, gepaart mit Fingerfertigkeit, führte Roswitha Hilpert zu ihrem Wunschberuf. Sie sieht sich als Handwerkerin, für die perfekte Verarbeitung und solide Technik die wichtigsten Faktoren des Buchbindens sind. Doch blickt der Besucher auf eine kleine Auswahl von in der Vergangenheit entstandenen Büchern, wird schnell klar: Dieses Handwerk hat auch viel mit Kunst und Design zu tun. So wirkt die wissenschaftliche Enzyklopädie über »sea urchins«, die Seeigel, mit doppeltem Buchdeckel samt in einer Vertiefung ruhendem Seeigelmotiv, wie ein kleines Kunstwerk. Den 500 Seiten starken Buchblock hat die Buchbinderin mittels einer Klebebindung akkurat verbunden. »Die sorgfältige Verarbeitung ist beim Umblättern der Seiten zu spüren.«Für die aufwändigere Fadenheftung greift die Handwerksmeisterin selbst zu Nadel und Faden, bei höheren Stückzahlen setzt sie die Fadenheftmaschine in Gang. Nebenan in der Prägepresse befindet sich gerade eine grüne Gewebedecke. Hier erhält das Buch Titel und Autorennennung, »Also sprach Zarathustra« von Friedrich Nitzsche. »Viel Fingerspitzengefühl«, so Roswitha Hilpert, ist für das Prägen mit Bleilettern unter Zugabe von Druck und Temperatur nötig.

Handwerk in Vielfalt: So abwechslungsreich wie die Bucheinbände der AltstadtBuchbinderei sind, so bunt gemischt sind die Kunden: Studenten lassen ihre Diplomarbeit binden, Werbeagenturen entwickeln gemeinsam mit der Handwerkerin außergewöhnliche Unikate für Unternehmen, Privatpersonen möchten ihre gesammelten Gedichte in einem ganz persönlichen Geschenkband wiederfinden. Auch Prominenz zählt zur Klientel der Schmiedgasse: Für den König von Dubai und für den Emir von Bahrein fertigte Roswitha Hilpert im Auftrag eines Porzellanherstellers noble Hüllen aus feinem Ziegenleder, ausgeschlagen mit Seide. »Der Beratungsaufwand ist meistens hoch«, erzählt Roswitha Hilpert. Aber Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen und Berufserfahrung helfen ihr, Kunden bei der Wahl des richtigen Bucheinbandes zu unterstützen. Denn schließlich ist ein Buch ein Freund fürs Leben.