Erstens kommt es anders…

Wer seine Rechte kennt… Heinz Walch berichtet aus seinem Unternehmerleben

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Manchmal muss auch ein gestandener Unternehmer Lehrgeld an einen Lehrling zahlen. — Es war vor etwa 30 Jahren, als sich ein 18-jähriges Mädchen bei unserer Druckerei um eine Umschulung für den Bereich Repro­fotografie und Filmmontage bewarb – damals noch Schlüsselfunktionen unserer Branche. Das Mädchen war ein echter Glücksgriff, intelligent, schnell und gewissenhaft, so dass es schon nach einem Jahr fest angestellt wurde. In den folgenden sechs Jahren entwickelte sie sich zu einer kompetenten Mitarbeiterin, die wir nicht mehr missen wollten. Bis uns eines Tages die Meldung einer Schwangerschaft nach §§ 5/19 des Mutterschutz­gesetzes erreichte.
Die Schwangerschaft verlief kompliziert mit vielen krankheitsbedingten Ausfällen, doch am Ende konnten wir uns alle über die Geburt eines gesunden Kindes freuen. Weniger erfreulich für uns war dagegen der rechtmäßige Antrag auf zwei Jahre Erziehungsurlaub. So lange konnten wir ihre Funktion nicht überbrücken, wir mussten Ersatz für sie suchen. Kurz vor Ende des Erziehungsurlaubs folgte eine zweite Schwangerschaft mit abermaliger Inanspruchnahme der zweijährigen Erziehungszeit und dann eine dritte. So kam es, dass wir nach nahezu zehn Jahren gar nicht mehr an die inzwischen dreifache Mutter dachten.
Eines Tages begrüßte mich eine mir unbekannte Frau an unserer Firmenrezeption mit den Worten: »Ich bin jetzt wieder da.« Nach kurzem Stutzen fand ich heraus, dass die vor mir stehende Dame unsere ehemalige Reprofotografin war. Durch Heirat hatte sich ihr Name geändert und in mehr als zehn Jahren war aus dem jungen Mädchen eine reife Frau geworden. Sie erklärte, am kommenden Montag wieder die Arbeit aufnehmen zu wollen. Doch da wir keine Kamera mehr im Hause hatten, die Satzherstellung zwischenzeitlich nicht mehr über Film erfolgte und sich die ehemalige Kollegin erziehungsbedingt auch nicht weitergebildet hatte, sah ich keine Möglichkeit für eine sinnvolle Wiederbeschäftigung.
artikelbild_aus22_rechteKeine Woche später erhielt ich ein Schreiben eines Rechtsanwaltes, der die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam erklärte. Auch wir ließen uns beraten und mussten zur Kenntnis nehmen, dass wir ein über 16 Jahre bestehendes Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt hatten. Auch wenn die Betroffene nur sechs Jahre tatsächlich für uns gearbeitet hatte, hatte sie während der gesamten Zeit doch nicht ihren Anspruch auf Wiederbeschäftigung verloren, so dass 16 Jahre Betriebszugehörigkeit mit einer Abfindung abgegolten werden mussten. Schließlich verständigte man sich in einem hart erkämpften Vergleich auf eine satte Abfindung. Wohl dem, der seine Rechte zu nutzen weiß. ¶