Das interessiert Sie nicht die Bohne!

Kaffee rösten kann man auch zuhause. Das geht in der Pfanne, im Backofen oder mit einem Haushaltsröster. Robert M. Kienlein von MS Marketing ServiceS erzählt, warum er seinen Kaffee lieber selbst röstet.

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Ab den 1950er Jahren ließ mein Vater für seine Kunden bei den Quieta-Werken in Augsburg selbst importierten Rohkaffee nach seiner Rezeptur rösten. Seit meiner Kindheit kenne ich den Duft frisch gerösteten Kaffees, der noch warm von den damaligen »Lehrlingen« auf großen Tischen im Versand verlesen wurde, damit ja nicht eine schwarze oder zu schwach geröstete Bohne den Geschmack verderbe. Und die Kinder der Wirtschaftswunderzeit wissen genau, wie es sonntags in den Häusern und Wohnungen duftete, wenn man sich echten Kaffee aus frisch gemahlenen Bohnen leistete. Und die waren erst kurz zuvor direkt beim Röster in kleinen Portionen gekauft und unmittelbar vor dem Aufguss von Hand gemahlen worden.
Solch ein Duft ist heute weitgehend verschwunden, genauso wie die Kaffeemühlen in den damals aufstrebenden Supermärkten, wo in den 1970er Jahren der Kaffee erst beim Kauf gemahlen wurde und da sein Aroma verbreitete. Heute wird der turbogeröstete Kaffee gemahlen, in Ziegelsteingröße verpresst und vakuumverpackt zu Preisen wie vor 30 Jahren verkauft. Darunter leidet auch die Qualität. Die Versuche, den Verbrauch über immer billigeren ­Kaffee weiter zu steigern, führten in den 1990er Jahren dazu, dass der Verbrauch sogar zurückging. 1953 konsumierten die Deutschen 1,5 kg Rohkaffee pro Kopf, Ende der 1980er fast 8 kg. Bis Mitte des letzten Jahrzehnts ging er auf 6,4 kg zurück und ist seitdem nahezu konstant ­geblieben.

Bittere Bohne
Was ist passiert? Im Zuge von Produktionsoptimierungen sind in den Großröstereien die Röstzeiten von 17 bis 20 Minuten auf teilweise unter drei Minuten zurückgegangen. Gleichzeitig werden die Bohnen nicht mit rund 200 bis 230 Grad geröstet, sondern mit teilweise weit über 400 Grad »verbrannt«. Das Ergebnis ist immer noch schwarz, riecht mehr oder weniger nach Kaffee und stößt hin und wieder bitter und auch sauer auf. Denn Bitterstoffe und Säuren, die den Magen belasten, sind bei dieser Turboröstung schlechter zu kontrollieren.
Seit der Jahrestausendwende wird in der Herstellung auch aufgrund des starken Nachfragerückgangs wieder vermehrt auf Qualität gesetzt. Parallel stieg auch das Konsumentenbewusstsein, das die Süddeutsche in der Ausgabe vom 24.1.2011 mit der schönen Headline ­»Latte-Macchiatisierung der Gesellschaft« umschreibt. Erst mit dem Einzug der Kaffeevollautomaten seit Beginn des neuen Jahrtausends gibt es auch ­wieder in reicher Auswahl ganze Bohnen zu kaufen. Auch ist der Smalltalk über das passende Küchengerät so en vogue geworden wie die Diskussion über die Linien­führung des neuesten Cabriolets. Und doch verbreitet dieser Kaffee bei weitem nicht das Aroma und den Duft früherer Tage.

artikelbild_bohne_QRFlüchtige Aromen
Seit 300 Jahren weiß man: Gerösteter Kaffee oxidiert, Aromen verflüchtigen sich, ätherische Öle gehen andere chemische Verbindungen ein. Groß­­­mutter lagerte den Kaffee im Kühlschrank, um diesen Prozess zu verlangsamen.

Heute weiß ich: Frische, die ge­wünsch­t­­­e Ausgewogenheit und natürlich auch Abwechslung erreiche ich nur, wenn ich meinen Kaffee selbst röste. Jetzt breitet sich zu Hause und bei MS wieder der Duft aus, den ich seit meiner Kindheit in der Nase habe. ¶

Auch Kaffee ist Slowfood – beim Rösten und beim Genießen!

 

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